4. Juni 1861 - Erste Messfeier in der katholischen Schule an der Wörthstraße

Die Anfänge des kirchlichen Lebens in Hochfeld

Aus der Festschrift "100 Jahre St. Bonifatius Duisburg" von 1961:

Alte Liebfrauenkirche
Die 1942/43 zerstörte Liebfrauenkirche bzw. ihr Vorgängerbau, die Minoritenkirche, war die Pfarrkirche der alten Liebfrauenpfarrei. Das Pfarrgebiet dürfte 1861 etwa dem nach der Fusion von 2006 entsprechen. Erste Tochtergemeinden waren St. Joseph (Pfarrgründung 1888), St. Ludger (1892) und St. Bonifatius (1893).

Am 4. Juni 1861 wurde in einem Schullokal der Schule in der Feldmark das erste heilige Meßopfer gefeiert, und von diesem Zeitpunkt ab wurde regelmäßig Gottesdienst in der Feldmark gehalten. Der hochwürdige Herr Bernhard Nienhaus wurde als Vikar berufen und versah mit dieser Stelle die eines ersten Lehrers. Bereits im Jahre 1862 konnte auf dem Grund und Boden der Schulgemeinde eine eigene Kapelle erbaut werden. Es war vereinbart, daß diese Kapelle im Falle des Bedürfnisses gegen eine Entschädigung von 1000 Talern als dritter Schulsaal abgetreten werden mußte. Wenn wir heute auf diese Zeit zurückschauen, wird uns in der Geschichte und am Beispiel der St.-Bonifatius-Pfarrgemeinde eindringlich und eindrucksvoll sichtbar, welche Entwicklung und Wandlung sich in diesem Jahrhundert auch in dieser Gemeinde vollzogen hat. Die Industriegründungen im Verlaufe dieses Jahrhunderts veränderten die Struktur der einstigen Feldmark.

Hier gingen selbstbewußte Bauern einst ihrem harten Tagwerk nach und bestellten ihre fruchtbaren Äcker und Wiesen. In kleinen, einsam verstreut liegenden Bauernhäusern, die nur durch schlechte Wege miteinander verbunden waren, lebten die wenigen Bauern, Tagelöhner und Handwerker. Noch bestand keine Straße, keine Schule, keine Kirche, kein Krankenhaus, und die benachbarte Stadt Duisburg zählte zu diesem Zeitpunkt 6000 Einwohner.

Mit der Eröffnung der Eisenbahn und des Hafens begann sich im Jahre 1846 eine Entwicklung abzuzeichnen, die bis auf den heutigen Tag angehalten hat. Industrie und Technik verwandelten die Landschaft und drückten dem Menschen ihren Stempel auf. Schon 1854 loderten die Flammen des ersten Hochofens der Niederrheinischen Hütte empor und verkündeten den wenig erfreuten Bauern der Feldmark den Anbruch eines neuen Zeitalters.

Die Seelsorge wurde in Duisburg bis 1831 durch die Patres der Minoritenkirche ausgeübt. Diese führten die Pfarrverwaltung und betreuten die 1700 Seelen, zu denen noch die 150 der Gemeinde Ruhrort hinzukamen. Das Wirken der Minoriten schuf die Voraussetzung zur späteren Entfaltung der Gemeinden in Duisburg. Am 8. August 1831 wurde das Minoritenkloster aufgehoben. Bei der Neueinteilung der Bistümer teilte Papst Pius VII. das Land des Herzogtums Kleve, zu dem auch die Stadt Duisburg gehörte, der Diözese Münster zu. Als erster Duisburger Pfarrer aus dem Weltklerus ernannte der damalige Bischof von Münster den Rektor Heinrich Hollen, der am 2. Oktober 1832 in sein schweres Amt eingeführt wurde. Schon im Jahre 1843 wurde Ruhrort zur selbständigen Pfarre erhoben. Zum gleichen Zeitpunkt erfolgte für Duisburg die Anstellung eines zweiten Kaplans. Pfarrer Hollen verstarb 1845. Während seiner Amtszeit war die Seelenzahl der Gemeinde von 1800 auf 3500 angewachsen. Nachfolger wurde Pfarrer Gerhard Meindering, der 1850 erstmalig nach der Reformation wieder eine Fronleichnamsprozession abhielt. Pfarrer Bernhard Vennewald trat im Mai 1854 an die Stelle des auf einen anderen Platz versetzten Gerhard Meindering. 20 Jahre wirkte Pfarrer Vennewald in Duisburg. In seiner Amtszeit vollzogen sich die entscheidenden Schritte zur Gründung der Pfarrgemeinde St. Bonifatius. Die rasch fortschreitende Entwicklung der Industrie, das Aufblühen von Handel, Handwerk und Gewerbe, die eine starke Anziehungskraft ausübte und einen ständigen Zustrom von Menschen zur Folge hatte, brachte neue, seelsorgerische Probleme mit sich. Die Zahl der Industriearbeiter wuchs von 700 auf etwa 4000, und die Gesamtbevölkerung erreichte mittlerweile 40000. Pfarrer Vennewald ließ zunächst die verfallene Minoritenkirche restaurieren und begann mit dem Bau des Vinzenz-Hospitals, das am 31. Oktober 1861 eingeweiht werden konnte.

Von den 14000 Seelen der Gemeinde Duisburg entfielen allein 3000 auf die in der Feldmark wohnenden Katholiken. Dieser Tatsache mußte bei der Bildung einer neuen Pfarrgemeinde Rechnung getragen werden. Der wachsenden Bevölkerungszahl hatte die Bischöfliche Behörde bereits 1856 Rechnung getragen, indem sie einen dritten Kaplan angestellt hatte.

Die Pläne zur Errichtung eines eigenen Gotteshauses gingen unter bescheidenen Verhältnissen vor sich. Am 2. Juni 1861 konnte der als Schulvikar angestellte Neupriester Bernhard Nienhaus das an der Wörthstraße erstellte neue Schulhaus mit zwei Klassenzimmern einweihen. Am 4. Juni 1861 feierte dann Pastor Bernhard Vennewald in einem Klassenraum dieser Schule das erste heilige Meßopfer in der Feldmark. So bescheiden der äußere Raum auch sein mochte, so glücklich priesen sich die Gläubigen und versprachen gleichzeitig, dem Herrgott bald eine würdige Wohnstatt zu bereiten. An diesem 4. Juni 1861 wurde der Grundstein für die Gemeinde St. Bonifatius gelegt.

Richard Reifenscheid, 1961