Kindergarten im Wandel

Karneval 1959
Karneval 1959

Der Kindergarten der Gemeinde wurde am 27. Januar 1957 eingeweiht. Er gehört fest zur Gemeinde und ist daraus auch nicht wegzudenken. Man stelle sich ein Pfarrfest vor ohne ehemalige, jetzige und zukünftige Kindergarteneltern und Kinder. Die Kinder und Eltern des Kindergartens erleben sich u. a. in Festen und Feiern der Gemeinde zugehörig.

Das Gemeindeleben hat sich in den letzten 50 Jahren verändert und auch das Leben und Arbeiten im Kindergarten.

Zu meiner Zeit (Jahrgang 1953), erinnere ich mich, durfte man im Kindergarten nicht spielen, was man wollte. Man bekam eine Kiste mit z. B. Steckmaterial und musste lange damit am Tisch sitzen und spielen. Auf ein Zeichen der Kindergärtnerin (heute Erzieherin) - genannt Tante Ursula - mussten alle zur Toilette, und dann wurde gefrühstückt, egal ob hungrig oder nicht. Anschließend gingen alle Kinder zu zweit nebeneinander auf den Hof. Hier kam dann endlich die Erlaubnis zu rennen und zu toben. Schließlich gab es auch schon damals den so genannten Schlusskreis. Alle Kinder saßen auf kleinen Stühlen und sangen mit "Tante Ursula". Wer nicht "brav" war, wurde in die Ecke gestellt.

Zum Glück ist die Zeit nicht stehen geblieben. Wenn Sie heute zu uns in den Kindergarten kommen, werden Sie mit lebhaftem, fröhlichem Kindergeschrei begrüßt.74 Kinder spielen in allen Bereichen. Einige Kinder spielen z. B. am Tisch und sind hoch konzentriert mit einem Puzzle beschäftigt. Andere spielen in der Puppenecke einen Arztbesuch nach. Die eigene Erlebniswelt der Kinder wird in unterschiedlichen Rollenspielen gespielt und somit verarbeitet und verstanden. Manche Kinder bauen auf dem Bauteppich und gehen dabei sehr logisch vor. Zwischen den Kindern finden genaue Absprachen statt. Am Frühstückstisch sitzen Kinder. Sie genießen ihr Frühstück, bedienen sich selbstständig mit Milch oder Wasser. Sie spülen ihr Porzellangeschirr selbstständig und mit viel Spaß.

Eine Erzieherin ist damit beschäftigt, die Kinder zu beobachten. Haben alle Kontakte? Wie ist die Entwicklung der einzelnen Kinder? Welche Stärken und Schwächen der Kinder müssen noch unterstützt oder beachtet werden? Die andere Erzieherin bereitet ein Angebot vor, z. B. gemeinsam mit den Kindern zu musizieren.

Die Kinder werden unterstützt, selbstständige Entscheidungen zu fällen. Sie dürfen sich aussuchen, mit wem und was sie spielen. Sie müssen aber auch Verantwortung übernehmen. Sie müssen das Spiel oder die Kuschelecke ordentlich verlassen und bestimmte mit den Kindern besprochene Regeln einhalten.

Inzwischen hat die Wissenschaft nachgewiesen, dass Kinder spielerisch, erlebnisorientiert in dieser Entwicklungsstufe sehr viel besser lernen. Man weiß, dass Kinder nicht nur auf kognitiver Ebene, sondern auf sozialer, emotionaler und motorischer Ebene unterstützt und gefördert werden müssen, um zu einer verantwortlichen, selbstbewussten Person zu werden.

Heute ist die Erziehung im Kindergarten ganzheitlich ausgerichtet. D. h. sie fördert und unterstützt das Kind in seiner ganzen Entwicklung und seiner Persönlichkeit. Kinder erleben den Kreislauf des Wassers z. B. durch ein Experiment und können dann ein Fachbuch begreifen und ihr Erlebnis vertiefen und theoretisch nachvollziehen.

Die Zielsetzung hat sich in den fünf Jahrzehnten sehr verändert.

In den fünfziger Jahren war es vor allem Disziplin, was die Kinder lernen sollten.
Die sechziger Jahre waren schon sehr auf funktionalen Ansatz ausgerichtet. Das zog sich weit in die siebziger Jahre hinein.
Dazu kamen dann verschiedene Trends, z. B. "antiautoritäre Erziehung", die sich bis in die achtziger Jahre zogen. Es entstanden Kindergärten mit pädagogischen Ansätzen wie Montessori-Erziehung, Waldorf-Pädagogik u. v. m.
Seit den neunziger Jahren ist Kindergartenarbeit an der Lebenssituation der Kinder orientiert.
Kindergartenteam mit Ältestengruppe 2003
Das Kindergartenteam mit der Ältestengruppe 2003

Durch den Wandel in den Familien und der Gesellschaft hat sich die Situation für die Kinder und für uns Erzieherinnen geändert. Viele Eltern sind "100%" berufstätig. Einige Eltern können oder wollen die Aufgaben der Erziehung nicht mehr in allen Punkten übernehmen. Durch unterschiedliche Einflüsse der Gesellschaft geprägt sind einige Eltern mit der Erziehung überfordert und brauchen Unterstützung.

Die Kindergartenarbeit war und ist immer in Ergänzung zum Elternhaus konzipiert. Heute erlebe ich, dass die Aufgaben der Erzieherinnen viel umfassender geworden sind. Sehr viele Kinder erleben den Kindergarten als ein "Zuhause".

Unsere Erziehungsarbeit im Kindergarten Christus König steht auf drei Säulen.

Die erste Säule bedeutet die christliche Erziehung. Wir möchten den Kindern christliche Werte nahe bringen. D. h. sie können bei uns Erfahrungen mit der Zugehörigkeit und Akzeptanz in der Gemeinschaft machen. Sie hören von Gott und Jesus, erleben Riten und Traditionen der Kirche.
Die zweite Säule ist die Erziehung zur Selbstständigkeit, die bei den Kindern Lernreize bietet, die sie zur Verantwortung für ihr Handeln erzieht und ihre Lernfreude und Neugier unterstützt.
Die dritte Säule ist, das Selbstbewusstsein der Kinder zu fördern. Gemeint ist, den Kindern Situationen zu schaffen, in denen sie sich selbst mit ihren Stärken und Schwächen erleben können. Sie zu unterstützen, sich selbst besser wahrzunehmen und damit auch den anderen Menschen besser verstehen zu lernen.

Es wird immer wieder neue pädagogische Ansätze geben, die man kritisch, aber auch aufgeschlossen betrachten muss.

Wir werden sehen, was die Zeit bringt. Die letzten fünfzig Jahre waren sehr bewegt, und wir bewegen uns mit und weiter.

Christel Fingerle
Leiterin des Kindergartens