Pastor Burkhard Jehl
Pastor Burkhard Jehl

März 2011
Geistlicher Impuls

Fastenzeit

"Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich habe alles. Ich bin eigentlich glücklich. Ich spüre täglich so eine Freude in mir." Die Worte, die die über 80-jährige zu mir sagt, gehen mir nach. Natürlich, auch sie hat ihr Päckchen zu tragen, weiß, was Krankheit bedeutet. Gesund ist sie nicht. Aber dennoch strahlt sie mich an. Ich muss sagen, das erlebe ich nicht so häufig. Eher schon bekomme ich zu hören: "Es muss halt geh'n." Oder Menschen klagen: "Mir geht es nicht gut." Oder ich spüre, dass Menschen einfach nur ihre Pflicht tun - leidenschaftslos, ohne Begeisterung.

Kenn ich auch. Aber dass jemand angesichts seines derzeitigen eingeschränkten Lebens sagen kann "Ich spüre so eine Freude in mir"? Die Frau sagt, sie betet viel, weil sie eben nun die Zeit dafür hat. Ist das ihr Schlüssel zur Freude? Ich werde nachdenklich: Warum merkt man uns Christen und Christinnen unsere Freude oftmals nicht an? Wer oder was schafft es, uns immer wieder runter zu ziehen?

Zugegeben, wenn Sie das lesen, ist wahrscheinlich Karneval schon wieder vorbei und die österliche Bußzeit hat begonnen. Wir denken an das Leiden Christi, werden dabei an das eigene Leiden oder an das um uns herum erinnert. Zunächst einmal keine Zeit ausgesprochenen Frohsinns. Und doch halte ich diese Zeit auch für wichtig: Manch ein Mensch nutzt diese Zeit vor Ostern als Fastenzeit, als Zeit, um zu sich selbst und zu Gott zu finden, indem er bzw. sie auf manches verzichtet: Fernsehen, Alkohol, Nikotin oder Zeitfresser, die uns wertvolle Lebenszeit rauben.

Wodurch er so manches gewinnt: mehr Zeit mit seiner Familie oder mit Freunden, Ausgeglichenheit, die Kraft und neue Freude daran, anderen etwas Gutes zu tun, die Muße für ein Buch oder die Bibel oder zum Beten ... Die Fastenzeit enthält viele Chancen.

Zugleich ist sie eigentlich eine Vorbereitung auf Ostern, ist wichtig, damit wir Ostern empfinden können. Ostern bedeutet für mich: von der Finsternis zum Licht, von Schuld zur Versöhnung, von Trauer zur Freude. Die kommende Zeit möchte uns in diesen Prozess mit hinein nehmen.

Und diese ältere Frau? Innerlich beglückwünsche ich sie zu ihrer Freude. Ich denke, sie hat etwas begriffen vom Christsein.

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Fasten- und eine frohe Osterzeit.

Ihr Pastor Burkhard Jehl