20. Mai 2015
Heinrich-Brauns-Preis

"Überzeugende Botschafter des christlichen Menschenbildes"


Bischof Franz-Josef Overbeck mit den Preisträgern Sr. Martina Paul, Klaus Peter Bongardt und Nikolaus Schneider (Fotos: Nicole Cronauge/Bistum Essen)

Bischof Overbeck verlieh den Heinrich-Brauns-Preis in Mülheim

Mit dem Heinrich-Brauns-Preis hat Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck am Mittwochabend, 20. Mai, den früheren Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden, Dr. h.c. Nikolaus Schneider, sowie - stellvertretend für das Sozialzentrum St. Peter in Duisburg-Hochfeld – Schwester Martina Paul (MSC) und Klaus Peter Bongardt ausgezeichnet. Dieser vom ersten Bischof von Essen, Dr. Franz Hengsbach, gestiftete und mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre an Persönlichkeiten verliehen, die sich in besonderer Weise um die Katholische Soziallehre und die christlich-soziale Bewegung verdient gemacht haben.

Christlicher Dienst um der Menschen willen

Im Festakt in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim würdigte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, in seiner Laudatio Nikolaus Schneider als einen Mann und "Brückenbauer", für den Christliche Soziallehre immer „Ausdruck des Kerns des christlichen Glaubens“ sei. „Gottesliebe ohne Nächstenliebe, Gottesdienst ohne Zuwendung zum Menschen, ist im christlichen Verständnis kaum möglich. Das ist auch eine der Lebensbotschaften des Seelsorgers Dr. Nikolaus Schneider“, so Glück. Für den Dienst am Nächsten sei es elementar, dass er absichtslos getan werde, „nicht um der Kirche und der Kirchenstatistik willen“. Es gehe um den christlichen Dienst um des Menschen willen. „Dafür steht als Mensch und viele Jahre in Ämtern und Aufgaben mit besonderer Verantwortung als Gemeinde- und Diakoniepfarrer, als Superintendent, Präses und als EKD-Ratsvorsitzender auch Dr. Nikolaus Schneider“, betonte Alois Glück.

Eine hörende und dienende Kirche

In anderer Ausprägung stehe das Sozialzentrum St. Peter in Duisburg-Hochfeld, einem Stadtteil, in dem Menschen aus 91 Nationen leben, für die „hörende und dienende Kirche, für die Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe“. Dort werde Kirche in einer ganz neuen Form als Glaubensgemeinschaft erlebt und erfahrbar. Das vorbildliche Engagement und die aufopferungsvolle Arbeit in einem Stadtteil, der von einer Vielfalt der Kulturen und Religionen gekennzeichnet sei, „ist das Glaubwürdigste, was wir als Christen für unseren Glauben vermitteln können“, unterstrich der ZdK-Präsident.

Beide Ehrungen der diesjährigen Preisträger dokumentierten die Spannbreite christlicher Sozialethik und sozialen Engagements. Dazu gehörten „die materiellen und geistigen Werke der Barmherzigkeit, der konkreten Lebenshilfe, der Achtsamkeit, der Zuwendung ebenso wie der Einsatz für die gerechte Ordnung, für Gerechtigkeit und Solidarität“, sagte Glück. Die Christliche Soziallehre sei kein „Reparaturbetrieb“, sondern für Christen das „ethische und fachliche Fundament“ sowie Orientierung für Gestaltungsaufgaben in der Gesellschaft und in der politischen Verantwortung. „Wir wollen nicht nörgelnde, besserwisserische Beobachter und Kritiker auf dem gepolsterten moralischen Hochsitz sein. Wir wollen aus christlichem Geist die Zeichen der Zeit aufnehmen und diese als Handlungs- und Gestaltungsauftrag begreifen“, betonte Glück.

In diesem Sinne habe sich Nikolaus Schneider nie gescheut, sich einzumischen, auch wenn es Ärger und Konflikte gebracht habe. Legendär sei sein Einsatz für die Arbeiter im Strukturwandel der Stahlindustrie gewesen. Immer wieder habe Schneider in vielen öffentlichen Stellungnahmen zu sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen sowie zu politischen Entscheidungen Position bezogen. „Dabei haben Sie auch immer wieder Gehör und Aufmerksamkeit gefunden, weil Sie stets engagiert zur Sache Stellung genommen haben, aber nie fanatisch oder besserwisserisch“, so Alois Glück.

Ökumene der Tat

Er verschwieg nicht, dass die beiden großen christlichen Kirchen immer wieder auch Meinungsverschiedenheiten haben, etwa in ethischen Fragen zu Beginn es Lebens oder in der Bioethik. Auf der anderen Seite gebe es aber auch gemeinsame Positionen, so bei den grundsätzlichen ethischen Fragen am Ende des Lebens. „Damit haben die christlichen Kirchen gemeinsam bei Meinungsbildung zu den normativen Fragen der organisierten Unterstützung des Suizids, zur Grundsatzdebatte um die Würde des Menschen am Lebensende und im Sterben sowie zum Stellenwert der Würde des Menschen in der Hilfsbedürftigkeit einen wirksamen Beitrag und eine zu beachtende Orientierung leisten können“, sagte Glück. Beide Kirchen seinen sich außerdem einig, dass es vom Beginn bis zum Ende des Lebens keine Unterscheidung geben dürfe zwischen nicht lebenswertem und lebenswerten Leben. Der ZdK-Präsident warb für eine „Ökumene der Tat“. Für das Miteinander der Christen, für ihre Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft wäre es fruchtbarer, „wenn wir uns etwas weniger auf das Trennende fixieren und mehr Energie in das gemeinsame Handeln einsetzen würden“.

Die Zeichen der Zeit erkennen

In einer sich rasant verändernden säkularen und pluralen Welt stelle sich die Frage, ob Christen überhaupt noch die Chance haben, mit ihren Werten Entwicklungen zu prägen. „Die Wirksamkeit unserer Werte und Anliegen wird wesentlich davon abhängen, ob wir entsprechend überzeugend argumentieren und entsprechend glaubwürdig sind, mit unserer Haltung, Kompetenz und unserem Engagement“, betonte Glück. Die Wirksamkeit im Sinne christlicher Sozialethik hänge davon ab, ob es zukünftig noch genügend Menschen geben werde, die sich in der „anstrengenden Welt“ und in der offenen und pluralen Gesellschaft engagieren. Das wiederum hänge davon ab, ob sie von den Kirchen genügend gefördert und unterstützt würden. Ein anderer Maßstab für Wirksamkeit sei, „ob wir jenseits unserer Lieblingsthemen und Gewohnheiten in den Entwicklungen die Zeichen der Zeit erkennen und uns den jeweils relevanten Aufgaben stellen“, so der ZdK-Präsident.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Zu den „Zeichen der Zeit“ und den heutigen Herausforderungen zähle, sich mehr „der positiven und negativen Kraft der Kulturen und der Religionen“ zuzuwenden. Doch der Dialog mit anderen Kulturen und Religionen könne nur fruchtbar geführt werden, „wenn wir uns über die eigenen Werte und Maßstäbe im Klaren sind“, sagte Glück. Mit Blick auf die zunehmenden kulturellen Angst- und Konfliktthemen in der Welt, in Europa und hierzulande, etwa Angst vor Identitätsverlust, Überfremdung oder Islamisierung, sei die wichtigste Botschaft und Orientierung für das Zusammenleben der Menschen und Völker der Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das Menschenbild des Grundgesetzes habe seine Quelle im christlichen Menschenbild. Jeder Mensch habe dieselbe Würde. „Das ist der Maßstab für den Umgang mit Flüchtlingen, Asylsuchenden, mit Menschen anderer kultureller und religiöser Prägung. Das ist der unverzichtbare Kompass für eine humane Zukunft“, betonte Glück. Christen müssten „leidenschaftliche Anwälte“ der Botschaft des Artikel 1 des Grundgesetzes sein. Die diesjährigen Preisträger seien „überzeugende Botschafter des christlichen Menschenbildes“.

Glaubwürdigkeit durch soziales Handeln


Die Preisurkunde für das Sozialzentrum St. Peter

Dass Kirche glaubwürdig ist, wenn sie sozial handelt, hatte Bischof Overbeck in seiner Begrüßung unterstrichen. „Die Relevanz des Glaubens wird deutlich in der öffentlichen Resonanz auf das kirchliche Handeln“, sagte er. Das kirchliche Bemühen um gesellschaftliche Wirkung werde in dem Maße glaubwürdig, „wie es nicht um eigene institutionelle Vorteile der Kirche und ihren Machtanspruch geht, sondern um die ganz konkreten Sorge und Nöte der Menschen in ihren Ausgrenzungen und Begrenzungen, ob sie Katholiken sind oder nicht“, so Overbeck. Es gehe um die Beachtung der Personenwürde eines jeden, um subsidiäre Verantwortungsübernahme, Zeichen der Solidarität, den Einsatz für Gerechtigkeit angesichts des allgemeinen Vorteilsstrebens, „und dies alles vor dem Hintergrund der Lebenschancen zukünftiger Generationen“.

Der Ruhrbischof dankte Nikolaus Schneider für die vielen ökumenischen Beziehungen und die gemeinsame Arbeit. Schwester Martina Paul und Klaus Peter Bongardt sprach er Anerkennung für die engagierte Arbeit im Sozialzentrum St. Peter in Duisburg-Hochfeld aus. „Mit Ihnen ehren wir heute ein beispielhaftes Projekt sozialpastoraler und karitativer Verantwortungsübernahme im Bistum Essen“, betonte der Bischof. Das Sozialzentrum biete mit seiner sozialraumorientierten Gemeindeseelsorge und seinen Angeboten vielen Menschen im Stadtteil eine Heimat.

Uns verbindet mehr als uns trennt

„Ich bin geehrt, bewegt und danke Ihnen von Herzen“, sagte Nikolaus Schneider. Er sprach die Überzeugung aus, dass beide Kirchen mehr verbinde als trenne. Das gelte sowohl für dogmatische als auch ethische Fragen. Aufgabe der Christen sei es, eine Ökumene zu praktizieren, „die sich allein an Christus orientiert“. Abschließend fügte Schneider schmunzelnd hinzu: „Der Preis geht eigentlich zweimal nach Duisburg, nach Huckingen, wo ich aufgewachsen bin, und nach Hochfeld.“

Dass die Auszeichnung der „ganzen Mannschaft“ gelte, unterstrich Schwester Martina in ihrem Dankeswort. „Die Kirche heute soll Gottes Liebe bezeugen“, sagte die Ordensfrau, eine Liebe, die sich an alle Menschen richte. „Danke, Herr Bischof, dass wir Kirche in Hochfeld so leben können“, so Schwester Martina. Eine Ermutigung für die jetzige und zukünftige Arbeit ist für Klaus Peter Bongardt dieser Preis. „Wir wollen im Sozialzentrum eine diakonische Kirche gestalten, die mit Wachsamkeit die Bedürfnisse der Menschen wahrnimmt und ihnen Hilfe anbietet“, betonte Bongardt. (do)

(Quelle: bistum-essen.de, 21.05.15)