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Himmel und Erde
Leben in Fülle für alle: Aufruf für eine prophetische Kirche

VON: CHRISTOF BECKMANN



Einen stärkeren Einsatz der Christen für globale Gerechtigkeit und ein grundlegendes Umdenken innerhalb der katholischen Kirche haben zahlreiche katholische Orden, Hilfswerke, Verbände, Wissenschaftler und Bischöfe gefordert. Die Menschheit stehe vor Existenz bedrohenden Krisen biblischen Ausmaßes, heißt es in dem „Aufruf für eine prophetische Kirche“ unter dem Leitwort „Leben in Fülle für alle“. Und wir haben darin Hammersätze gelesen, die aufhorchen lassen. Von „Gesellschaften in Geiselhaft“, vom „Tanz um das goldene Kalb“, einem „Totentanz für Mensch und Natur“. Mitverfasser ist Dr. Thilo Esser, im Generalvikariat des Bistums Essen zuständig für Weltkirche, Mission, Orden und geistliche Gemeinschaften. Ein Aufruf zur Revolution? …

INFO: Einen stärkeren Einsatz der Christen für globale Gerechtigkeit und ein grundlegendes Umdenken innerhalb der katholischen Kirche haben zahlreiche katholische Orden, Hilfswerke, Verbände, Wissenschaftler und Bischöfe gefordert. Sie stellten am Dienstag in Bonn einen „Aufruf für eine prophetische Kirche“ vor. Die Menschheit stehe vor Existenz bedrohenden Krisen biblischen Ausmaßes, heißt es in dem Appell unter dem Leitwort „Leben in Fülle für alle“. Dazu zählen die Unterzeichner die Klima- und Energiekrise, die Nahrungsmittel-, Finanz- und Wirtschaftskrise. Die bisher gezeigten Lösungsansätze erwiesen sich lediglich als „Symbolpolitik mit Placeboeffekt“, heißt es. Christen trügen angesichts dieser Entwicklung die Verantwortung dafür, nicht nur die Kirche selbst zu erneuern, sondern die großen Aufgaben der Welt glaubwürdig aufzugreifen.
Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören unter anderen der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, die katholischen Bischöfe Werner Thissen, Felix Genn und Heinz Josef Algermissen sowie die Generaloberin der deutschen Ordenskonferenz, Aloisia Höing, die bündnisgrüne Politikerin Christa Nickels und der brasilianische Theologe Paulo Suess. Die Erstunterzeichner des Aufrufs verpflichten sich, in ihrem Beten, Denken und Handeln das Ziel weltweiter Gerechtigkeit voranzubringen und in der katholischen Kirche in Deutschland einen Prozess des Nachdenkens über Schritte verantwortlichen Handelns anzustoßen.

 

„Aufruf für eine prophetische Kirche“

Unsere Wirklichkeit

Wir leben in einer Zeit, in der das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten bedroht ist.
Überall sind die Zeichen des Klimawandels sichtbar, der die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen zerstört.
Öffentliche Güter wie Wasser und Energie, Bildung und Krankenversorgung, ja die Natur selbst werden durch Privatisierungen dem Gesetz des Profits unterworfen.
Übermächtige Finanzinstitute haben die weltweite Finanzkrise verursacht und die Gesellschaft in Geiselhaft genommen. Sie haben die Politik unter Druck gesetzt, ihre Spekulationsverluste kommenden Generationen aufgebürdet und gesellschaftliche Verantwortung verweigert.
Die wachsende soziale Kluft zwischen den Wenigen, die sinnlosen Reichtum anhäufen, und den Zahllosen, denen das Existenzminimum vorenthalten wird, führt unweigerlich zu gewaltsamen Konflikten zwischen Bürgern und zwischen Völkern.
Eine Wirtschaftsweise, die Geld zu einem Götzen macht, zerstört langsam wie ein Krebsgeschwür die Würde und die Rechte der Person, den Sinn für Solidarität in der Gesellschaft und schließlich die spirituelle Offenheit für alles Göttliche.
Dieser Tanz um das goldene Kalb wird zum Totentanz für Mensch und Natur.

Unsere Hoffnung

Dieser fatalen Verkehrung der Werte müssen Christen und Christinnen und die Kirche insgesamt vehement widersprechen und eine biblisch-christliche Vision einer anderen Welt- und Werteordnung entgegensetzen:
eine Welt, in der die Menschen in Respekt und Verantwortung mit der Natur und ihren Mitgeschöpfen leben, die begrenzten Ressourcen genügsam und nachhaltig nutzen und die Schönheit der Erde für kommende Generationen bewahren;
eine Welt, in der die Politik sowohl demokratische Rechte, persönliche Freiheit und Verantwortung des einzelnen verteidigt als auch das Allgemeinwohl fördert und die öffentlichen Güter schützt;
eine Welt, in der Geld ein Mittel des Austauschs ist, Eigentum unter einer sozialen Verpflichtung steht und Ressourcen, Macht und Wissen dem Wohl der Gesellschaft dienen;
eine Welt, in der das Leben und die Zukunft jedes Menschen solidarisch gesichert sind, Verantwortung, Achtung und Mitgefühl das Zusammenleben bestimmen und nicht Besitz, sondern Weisheit und Engagement für andere als die wahren Werte geschätzt werden;
eine Welt, in der die Wirtschaft dem Menschen dient, und Wachstum ein „Mehr“ an Leben, ein „Mehr“ an Freiheit und Vertrauen, ein „Mehr“ an Hoffnung und Liebe bedeutet.

Unsere Verantwortung

Diese Hoffnung auf ein Leben in Fülle für alle drängt uns, Fatalismus und Resignation zu widerstehen und der die Welt verändernden Kraft des Glaubens zu vertrauen.
Wir wollen nicht müde werden, das Unrecht an Menschen, an der Gemeinschaft, an der Schöpfung offen und deutlich zu benennen und allen Versuchen energisch zu widersprechen, die die „Strukturen der Sünde“ (Johannes Paul II.) rechtfertigen oder als alternativlos hinstellen.
Es gibt keine einfachen Antworten für die drängenden Fragen. Nur ein tiefgreifender und langfristiger Prozess des gemeinsamen Nachdenkens und mutiges kreatives Handeln können zu einer überlebensfähigen Neuordnung führen.
Wir bekennen, dass die Situation unserer Welt uns heute verpflichtet, nach Lösungen globaler Gerechtigkeit zu suchen;
Wir verpflichten uns, in unserem Beten, Denken und Handeln das Ziel eines Lebens in Fülle für alle voranzubringen;
Wir halten es für unerlässlich, in der katholischen Kirche in Deutschland auf allen Ebenen einen breit angelegten Prozess des gemeinsamen Nachdenkens über Schritte verantwortlichen Handelns in der Kirche einzuleiten und in die Gesellschaft hineinzutragen.

Folgende Fragen könnten uns zum Nachdenken und Diskutieren anregen:
Wie können wir aus einer Schöpfungsspiritualität heraus leben und durch einen genügsamen Lebensstil und nachhaltige Ressourcennutzung unseren „ökologischen Fußabdruck“ verringern?
Wie sind die Privatisierung der öffentlichen Güter und die Patentierung der Natur zu stoppen? Wie können eine soziale Grundsicherung und der Zugang zu Nahrung, Bildung und Gesundheitsversorgung für alle schrittweise erreicht werden?
Wie gehen wir in der Kirche mit Geld um? Was sind unsere Kriterien für Kapitalanlagen und unsere Prioritäten bei Finanzentscheidungen?
Wie leben wir Solidarität bei unumgänglichen Sparmaßnahmen?
Wenn wir als Jünger Jesu eine „Option für die Armen“ haben, was wären die Konsequenzen in einer Situation wachsender Armut?
Wie können die Prinzipien der christlichen Sozialethik uns helfen, Grundlagen für eine solidarische Wirtschaftsordnung zu entwickeln und in kleinen, konkreten Schritten zu verwirklichen?

Wir bekennen, dass die Situation unserer Welt uns heute verpflichtet, nach Lösungen globaler Gerechtigkeit zu suchen;
Wir verpflichten uns, in unserem Beten, Denken und Handeln das Ziel eines Lebens in Fülle für alle voranzubringen;
Wir halten es für unerlässlich, in der katholischen Kirche in Deutschland auf allen Ebenen einen breit angelegten Prozess des gemeinsamen Nachdenkens über Schritte verantwortlichen Handelns in der Kirche einzuleiten und in die Gesellschaft hineinzutragen.

Mehr: http://www.leben-in-fuelle-fuer-alle.de/

Verantw. Herausgeber & Kontakt: Deutscher Katholischer Missionsrat (DKMR), c/o Winfried Montz, Bischöfliches Ordinariat Limburg, Rossmarkt 4, 65549 Limburg, Tel. 06431 / 295-448, E-Mail: W.Montz(bei)BistumLimburg.de.#

Unser Gesprächspartner: Dr. Thilo Esser, Diözesandirektor der Päpstlichen Missionswerke, Leiter der Zentralabteilung Weltkirche, Mission, Orden, geistliche Gemeinschaften, Zwölfling 16, Haus C, 45127 Essen, Tel. 0201 / 22 04-2 60, Fax: (02 01) 22 04-5 25, E-Mail: za.weltkirche(bei)bistum-essen.de, www.bistum-essen.de.


Hier der ganze Beitrag zum Hören:
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