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Augenblick mal
Caritas kritisiert Kürzungen

VON: CHRISTOF BECKMANN



Die Konjunktur brummt – heißt es. Und die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt sich. Das sind die Signale aus der Wirtschaft. Und zu Weihnachten kommt noch mal was drauf – im Einzelhandel. Da könnte ja richtige Festtagsstimmung aufkommen – tut es aber nicht. Jedenfalls nicht bei allen. Denn die, die so gar nicht an den ganzen Dingen teilnehmen können, gucken jetzt wirklich in die Röhre. Sagt die Caritas in NRW. Sie kritisiert die von der Bundesregierung beschlossenen Kürzungen bei Hilfen für Langzeitarbeitslose. Ausgerechnet hier dürfe nicht eingespart werden, so Markus Lahrmann von der Zeitschrift „caritas in nrw“ und Christoph Eikenbusch von der Caritas im Erzbistum Paderborn…

INFO: Wenn bei den Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung bis 2012 drei Milliarden Euro gespart würden, habe das eklatante Folgen für die Menschen und ihre Familien, erklärte der Wohlfahrtsverband in seiner in Düsseldorf erscheinenden Zeitschrift „caritas in NRW“ (Dezemberausgabe). Die Betroffenen würden damit aus gesellschaftlichen Bezügen ausgegrenzt. Die Caritas in NRW betreut rund 7.000 Menschen im Rahmen der sogenannten Eingliederungshilfe. Die Kürzungen führten in den einzelnen Caritasverbänden dazu, dass höchstens ein Drittel der Plätze erhalten bleiben könne. Mehr als 4.000 Menschen werde damit die notwendige Hilfe versagt, um sich zu stabilisieren und neue Kompetenzen für den Arbeitsmarkt zu erwerben. In den Eingliederungsprojekten betreut die Caritas Menschen, die sich in besonders schwierigen Lebenssituationen befinden. Viele sind durch Schulden, Suchtprobleme, einen Gefängnisaufenthalt oder Wohnungslosigkeit in die Armut abgerutscht. Diese Menschen wieder für den Arbeitsmarkt fit zu machen, werde auch mittel- und langfristig zur Entlastung der Sozialkassen beitragen.

Unsere Gesprächspartner: Markus Lahrmann, Chefredakteur „caritas in nrw“, hg. von den Diözesan-Caritasverbänden Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn, Lindenstraße 178, 40233 Düsseldorf, Tel. 0211 / 51 60 66-20, Fax 0211 / 51 60 66-25, redaktion(bei)caritas-nrw.de, Internet: www.caritas-nrw.de. Christoph Eickenbusch ist Leiter der Abteilung Beratende Dienste, Gefährdetenhilfe und Integration beim Diözesancaritasverband für das Erzbistum Paderborn. Zum Arbeitsbereich gehören Allgemeine Sozialberatung, Armutsfragen, Sozialrechtliche Beratung, Schulder- und Insolventberatung, Integration, Schwangerschaftsberatung, Arbeitslosigkeit und Qualifizierung, Sucht-, Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe. Kontakt: Tel. 05251-209309, E-Mail: c.eikenbusch(bei)caritas-paderborn.de, Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V., Am Stadelhof 15, 33098 Paderborn, Tel. 05251 / 2 09-0, Fax 2 09 2 02, Internet: www.caritas-paderborn.de.


„caritas in nrw“, Dezember 2010, Ausgabe 6
Spaltung wird sich vertiefen
Kritik an den Kürzungen bei Maßnahmen für Langzeitarbeitslose

Die Bundesregierung will im Bundeshaushalt 2011 die Gelder für die Eingliederungshilfe kürzen. Welche Folgen das für Langzeitarbeitslose hat, erläutert Sabine Depew. Sie leitet die Abteilung Arbeitsmarktpolitik und Europa beim Diözesan-Caritasverband Köln und ist stellvertretende Bundesvorsitzende der katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Integration durch Arbeit (IDA) im Deutschen Caritasverband.

Caritas in NRW: Die Bundesregierung will mit ihrem Sparpaket besonders auch bei der Agentur für Arbeit und der Eingliederungshilfe kürzen. Worum geht es dabei?

Sabine Depew: Für Menschen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen, sprich Arbeitslosengeld II, steht ein Budget zur Finanzierung von Maßnahmen, die die berufliche Eingliederung fördern, zur Verfügung. Maßnahmen der Qualifizierung, der Stabilisierung und Lohnkostenzuschüsse. Die Bundesregierung plant, diese Mittel in den nächsten drei Jahren um die Hälfte zu kürzen. Bis 2012 sollen drei Milliarden Euro eingespart werden. Die Caritas in NRW, die rund 7 000 solcher Eingliederungsplätze bereithält, geht davon aus, dass die Kürzungen eklatante Folgen für die Menschen und ihre Familien haben werden.

Welche Folgen hat das für Langzeitarbeitslose?

In NRW waren im Oktober 735 624 Menschen arbeitslos gemeldet. Davon sind 266 190 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos. Mehr als ein Drittel! Das sind Menschen, die verzweifelt versuchen, aus der Armut herauszukommen, ein neues Leben aufzubauen. Einzelschicksale, die nicht nur die einzelne Person, sondern auch ihre Familien und die Kinder betreffen. Die Caritas in NRW arbeitet mit Menschen, die besonders schwierige Lebenssituationen erleiden müssen. Menschen, die zum Beispiel durch einen Gefängnisaufenthalt oder Wohnungslosigkeit, aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse, Suchtproblematiken oder Schulden in die Armut abgerutscht sind und dringend Hilfe benötigen. Hinzu kommt, dass viele Langzeitarbeitslose keine Ausbildung haben. Insgesamt hält die Caritas in NRW rund 7 000 Plätze bereit. Erfolgsfaktor der Maßnahmen sind nicht nur Vermittlungen in Arbeit, sondern auch gesellschaftliche Integration, ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist.

Die Kürzungen führen dazu, dass nach aktuellen Auskünften der ARGEn gegenüber den einzelnen Caritasverbänden höchstens ein Drittel der Plätze erhalten bleibt. Mehr als 4 000 Menschen und ihre Familien wird dann die notwendige Hilfe versagt, sinnstiftende Tätigkeiten und tagesstrukturierende Maßnahmen genommen. Sie werden schlicht aus gesellschaftlichen Bezügen ausgegrenzt.

Sehen Sie auch irgendwo Einsparpotenziale für die öffentliche Hand?

Die Eingliederungsmaßnahmen helfen jedem einzelnen Menschen, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, sich zu stabilisieren, sein Schuldenproblem zu lösen, seine Suchtproblematik zu bekämpfen, ein gesünderes Leben zu führen, neue Kompetenzen zu erwerben, und sie stärken nicht zuletzt das Selbstbewusstsein. Von daher tragen sie mittelfristig und langfristig zur Entlastung der Sozialkassen bei und sind ein Beitrag zur Sicherung des sozialen Friedens in Deutschland.

Die Sorge ist, dass die JobCenter einen Teil des Geldes in den Verwaltungsapparat ste­cken und dann noch weniger Mittel für Langzeitarbeitslose zur Verfügung stehen. Und dass wegen der schnellen Vermittlungs­erfolge qualifizierte, kurzfristig arbeitslose Kräfte bei der Förderung bevorzugt werden.

Wieso profitieren Langzeitarbeitslose nicht vom Aufschwung? Es werden doch zunehmend Arbeitnehmer gesucht?

Unter den Langzeitarbeitslosen haben viele eine zu geringe Ausbildung, um den heutigen Anforderungen der Arbeitsplätze zu genügen. Gepaart mit weiteren Einschränkungen wie Krankheit, Suchtproblematik, fehlender Selbstsicherheit oder zu geringen Sprachkenntnissen, sind sie nicht vermittelbar, weil Einfacharbeitsplätze, die hier benötigt werden, nicht zur Verfügung stehen.

Wie reagieren die Träger von Maßnahmen und Angeboten für Langzeitarbeitslose auf die angekündigten Kürzungen?

Die Arbeit der Beschäftigungsinitiativen steht bei vielen Trägern vor dem Aus. Aufgrund der Kürzungen müssen sie Personal entlassen, das über viele Jahre die Kontinuität der Arbeit mit den Menschen garantierte.

Aus „Caritas in NRW AKTUELL“, Ausgabe 6/2010

 

 


Hier der ganze Beitrag zum Hören:
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