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Augenblick mal
Die Madonna mit dem geneigten Haupt

VON: LAURA KETTLER



Ein auf Kupfer gemaltes Bild in der Essener St. Ignatius-Kirche kam auf verschlungenen Wegen aus Südamerika. Es ist Teil einer dramatischen Geschichte, die vor 25 Jahren als Spielfilm mit Robert de Niro die Goldene Palme in Cannes erhielt. Und auch heute noch ist das Gnadenbild der „Madonna mit dem geneigten Haupt“ Ziel von vielen Gläubigen. Nachgefragt zu Maria Himmelfahrt bei Jesuitenpater Christian Berndt ….

INFO: Das Gnadenbild der „Mutter mit dem geneigten Haupt“ ist ein nach alten Vorlagen entstandener Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert, der vor allem im süddeutschen Raum weite Verbreitung fand. Einen solchen Kupferstich erhielt der 1721 in Amberg (Oberpfalz) geborene Martin Schwarz zu seiner ersten Messfeier. Das Bild begleitete ihn bei seiner Ausreise aus seiner bayerischen Heimat in die seit 1549 bestehende Jesuiten-Mission im brasilianischen Amazonasgebiet. Am 2. Juni 1753 stach das Schiff von Lissabon in See, nach anderthalb Monaten legte es am 16. Juli in São Luis do Maranhão an. Er reiste weiter stromaufwärts und erreichte am 26. August seine missionarische Wirkungsstätte Guaricurú. Auf der benachbarten Station Araticú machte Pater Schwarz 1755 seine Exerzitien und band sich am 16. September durch seine letzten Gelübde endgültig an den Jesuitenorden. Gegen diesen entbrannte 1757 in den europäischen Ländern, vor allem in Frankreich, Spanien und Portugal ein heftiger Kampf. Als Träger vieler Bildungseinrichtungen und Universitäten sollten die Jesuiten und damit auch der Einfluss des Papstes aus dem öffentlichen Leben verbannt werden.

Besonders konsequent erwies sich der portugiesische erste Minister Carvalho e Melo (ab 1769 Marquis de Pombal), der 1759 die Enteignung und Gefangennahme der Jesuiten in Portugal und den portugiesischen Kolonien erwirkte. Die Ordensbrüder aus der Amazonas-Mission in Brasilien wurden zunächst im Ordenskolleg in Pará interniert und ab September 1760 nach Europa gebracht. Es war das Ende langjähriger Evangelisierung in den staatsähnlichen sogenannten „Jesuiten-Reduktionen“ in Südamerika.

17 Jahre lebten die Jesuiten ohne Verhör und Gerichtsverfahren in Festungshaft in den feuchten unterirdischen Zellen der Inselfestung Sao Julian an der nördlichen Seite der Tejo-Mündung in fast völliger Dunkelheit. Unter ihnen Pater Martin Schwarz mit dem Gnadenbild der „Mutter mit dem geneigten Haupt“. Nach Gebetserhörungen erhoben die Jesuiten das Gnadenbild zum Altarbild. Als Papst Clemens XIV. 1773 auf Drängen der staatlichen Mächte den Jesuitenorden aufhob, blieben die Gefangenen dem Ordensgelübde treu, obwohl ihnen das persönliche Bekenntnis zum Austritt Freiheit und Entlassung verschafft hätte. Von den 124 Gefangenen wurden 33 später in den Kirchenstaat nach Italien abgeschoben, neun kamen durch die Bemühungen ihrer Regierungen frei, 37 starben im Kerker, die restlichen 45 erlebten 1777 nach dem Sturz Pombals ihre Befreiung und Rückkehr in ihre Heimatländer. Das Gnadenbild kam über Amberg, Eichstätt, Regensburg, Feldkirch und Köln am 1. Mai 1936 in die seit 1562 bestehende Jesuitenniederlassung in Essen.

Literatur: Karl-Joseph Klinkhammer SJ, Licht in der Nacht, Ein Gnadenbild aus der Zeit der Aufhebung des Jesuitenordens, Frankfurt 1959; Bernhard van Acken SJ, Jesuiten im Kerker 1759-1777, Der Weg des Gnadenbildes der „Mutter mit dem geneigten Haupt“, Leutesdorf 1962; Rektoratspfarramt St. Ignatius, 50 Jahre Jesuiten wieder in Essen, Wiesbaden 1987; Rudolf Meck, Amberger Treue, Das Schicksal des Jesuitenpaters Martin Schwarz, Amberger Information 1984.

Im Film „The Mission“ aus dem Jahre 1986 spielen Robert de Niro, Jeremy Irons und Liam Neeson sie Hauptrollen. Ausgezeichnet mit dem Oscar für die beste Kamera und dem Preis für den besten Film bei den Filmfestspielen in Cannes, auch der Soundtrack von Ennio Morricone wurde prämiert.
Mehr: http://www.adveniat.de/jesuiten/reduktion/reduktion.htm; www.jesuiten.de.

Wer sich das Bild ansehen möchte: Kirche St. Ignatius, An St. Ignatius 8, 45128 Essen, Tel. 0201 / 879430, Mail: post(bei)stignatius.de, mehr Infos und auch mehr zur Geschichte gibt es unter www.stignatius.de

Die Jesuiten und ihr Gründer: Ignatius von Loyola, geboren auf dem Schloss der Familie im spanischen Baskenland / Nordspanien am 31. März 1491, wurde Soldat und erlebte eine Lebenswende, als ihm 1521 bei der Belagerung von Pamplona eine Kanonenkugel sein Bein zerschmetterte. Mit dem Leitsatz „Alles zur größeren Ehre Gottes / Omnia ad majorem Dei gloriam“ beschloss er, eine religiöse Gesellschaft zu gründen. Nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land besuchte er die Hochschulen von Barcelona, Alcala und Salamanca, zuletzt in Paris eingeschrieben und gründete hier mit Gesinnungsgenossen den Jesuitenorden, den er bedingungslos dem Papst unterstellte. Nach seiner Priesterweihe in Venedig wurde Ignatius zum Generaloberen der 1540 durch Papst Paul II. bestätigten „Societas Jesu / Gesellschaft Jesu“. Umstritten von Anfang an, entwickelte sich der im Zeitalter der Gegenreformation wichtige Orden (Motto: „Gott in allem finden) von Europa auch nach Südamerika und Asien. Beim Tod von Ignatius am 31. Juli 1556 zählte der Orden bereits mehr als 1.000 Mitglieder und besaß über 100 Niederlassungen. Ignatius wurde in der Kirche II Gesu in Rom begraben und 1622 heilig gesprochen; sein Fest wird am 31. Juli gefeiert. Heute sind die Jesuiten mit nahezu 21.500 Mitgliedern die größte Ordensgemeinschaft der Welt. An der Spitze steht der Generalobere mit Sitz in Rom. Der Orden ist in 85 Provinzen eingeteilt, die jeweils von einem Provinzoberen, dem Provinzial, geleitet werden. Im Interesse einer hohen Mobilität leben die Jesuiten nicht ortsgebunden in Klöstern, sondern - entsprechend ihrer Aufgaben und Einsatzgebiete - in ordenseigenen Einrichtungen und Häusern, die wiederum einen Hausoberen haben.
Internet: www.jesuiten.de.

Die Kirche St. Ignatius in Essen wurde am 30. September 1961 eingeweiht und wird von Jesuiten betreut. Pater Christian Berndt ist dort seit 2004 als Pastor tätig. Kontakt: St. Ignatius, An St. Ignatius 8, 45128 Essen, Tel. 0201 / 87 94 30, Mail: post(bei)stignatius.de. Mehr Infos unter www.stignatius.de.


Hier der ganze Beitrag zum Hören:
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